„Mit Wagemut neue Möglichkeiten entdecken“ – Interview mit Stefanie Voss

Folge: 13

Stefanie Voss hat in ihrem Leben schon eine Menge erlebt. Sie arbeitete am Anfang ihrer Karriere für einen DAX-Konzern in Argentinien, machte mit 25 eine Weltumsegelung und startete danach in Deutschland im Konzern durch. Mittlerweile ist sie seit einigen Jahren als Keynotespeakerin sowie Leadership- und Teamcoach selbstständig. Im Interview erzählt sie von den wichtigsten Learnings ihrer Karriere, erklärt die Piratenstrategie und warum deutsche Unternehmen Probleme mit ihrem kulturellen Ballast haben.

Inhalt

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Überblick Interview Stefanie Voss

Vor einigen Wochen bekam ich eine E-Mail von einem Hörer, der mir Stefanie Voss als Interviewgast empfahl. Sie hatte bei seinem Arbeitgeber einen Vortrag zur Piratenstrategie gehalten, der ihn beeindruckte. Ich schaute mir den Weg von der Business-Piratin an und wusste relativ schnell, dass ein Gespräch mit ihr den Podcast bereichert.
Das Interview mit Stefanie vereint Elemente aus unterschiedlichen anderen Gesprächen von “Mehr Mut zum Glück” zu etwas Neuem. Die Unternehmerin berichtet von ihrem Berufseinstieg in Südamerika, ihrer anschließenden Weltumsegelung, ihrer Corporate-Karriere und ihrer Selbstständigkeit.
Weit weg von Tschakkah-Gerede spricht die Vortragsrednerin über Selbstführung, klare Entscheidungen, Authentizität und selbst Verantwortung zu übernehmen.
Ich konnte aus dem Gespräch eine Menge Anregungen mitnehmen und hoffe, dass du es ebenfalls kannst.
In ihren Vorträgen erreicht die Weltumseglerin Stefanie Voss den Nerv der Mannschaft an genau der richtigen Stelle. Thematisch geht es um Leadership, Change, Diversity oder VUCA.
Eine gekürzte Zusammenfassung des Interviews kannst du weiter unten lesen.

Shownotes

Zusammenfassung Interview mit Stefanie Voss

Stefanie Voss PortraitIch habe ja vor einigen Wochen eine völlig begeisterte E-Mail von einem Hörer bekommen, der Dich als Interviewgast vorgeschlagen hat, weil er von Deinem Lebenslauf und Deinem Vortrag bei seinem Arbeitgeber so begeistert war. Warst Du denn schon häufiger in Podcasts zu Gast?  

Ja, ich war schön häufiger bei Podcasts zu Gast. 

Ich hatte 2010 bis 2013 auch mal einen eigenen Podcast, aber war damals meiner Zeit voraus, denn das hat zu der Zeit noch keinen interessiert. Dann bin ich zum Video-Format übergegangen und betreibe jetzt einen YouTube-Kanal.

Ich bin aber immer noch begeisterte Podcast-Hörerin und nutze dieses Medium auch, um mein Netzwerk zu erweitern.

Wie definierst Du Glück für Dich persönlich?

Ich habe das irgendwann für mich in einem Selbstcoaching definiert: 

Für mich ist Glück kleine Momente, an denen ich gerne die Zeit anhalten würde und ich mit genau den richtigen Menschen am richtigen Ort bin.

Neulich saßen meine Familie und ich, also mein Mann, zwei Kinder und ich, an einem Sonntag um halb 2 im Pyjama auf der Coach rum, haben gelesen, gequatscht, ferngesehen und es uns gut gehen lassen. Das war so ein Moment.

Im beruflichen habe ich Glück etwas anders definiert:

Im beruflichen ist Glück für mich, wenn es mir gelingt, Menschen zu berühren.

Also nicht nur trainieren und was beizubringen, sondern wenn ich dann zum Beispiel nach einem Vortrag eine nette E-Mail bekommen oder eine Podcast-Einladung, dann weiß ich, ich habe jemanden berührt und das ist total schön! 

In Deinem Profil bezeichnest Du Dich als Mrs. Blackbeard und Businessfrau mit der Piratenseele. Was hast Du denn mit dem Piraten mit dem langen schwarzen Bart gemeinsam?

Also, erstmal bin ich keine Verbrecherin. Was mich an Piraten fasziniert ist, dass sie einen sehr fairen Zusammenhalt, starke Teamorientierung und eine klare Werteorientierung.

Außerdem sind sie sehr wagemutig. Also nicht nur mutig sondern sie tun das, womit keiner rechnet und was ungewöhnlich ist. Und das passt einfach zu mir und meinem Lebenslauf.

In deutschen Unternehmen fehlt dieser Wagemut fast vollständig. Deswegen kommen meine Vorträge dort auch so gut an! 

Ich gebe den Unternehmen dann eine Herausforderung: „Wenn Sie in den nächsten 24 Stunden irgendetwas Wagemutiges tun, schreiben Sie mir eine E-Mail und ich schicke Ihnen per Post ein Geschenk zu.“

Da bekomme ich wirklich die verrücktesten und schönsten Geschichten per Mail. Von Menschen, die langwierige Konflikte im Gespräch lösen, sich mit Blumen bei den Nachbarn für die gute Nachbarschaft bedanken oder eine ältere Dame, die Sängerin werden möchte und sich nun endlich beworben und Zusagen erhalten hat.

Der bewusste Schritt in eine ungewöhnliche Zukunft, ist weniger riskant als wir meistens denken. Für diesen bewussten Schritt setze ich den Impuls durch meine Vorträge.

Mit 16 bist du als Austausch-Schülerin in die USA gegangen. Ich habe vor kurzem ein Interview mit dem erfolgreichen Unternehmer David Zimmer geführt, der sich in den USA so stark weiterentwickelt hatte, dass er vor allem mit dem deutschen Schulsystem nicht mehr klar kam. Wie war das bei Dir? Was hast Du von dort mitgenommen?

Ich sage immer: In den USA bin ich erwachsen geworden. Mir sind die kulturellen Unterschiede damals sehr bewusst geworden, vor allem als meine erste Gastfamilie mich rausgeworfen hatte, weil sie einfach eine völlig andere Vorstellung von einer Eltern-Kind-Beziehung hatten. 

Dass ich aus diesem Tal wieder gut rausgekommen bin, und mit einem guten Gefühl wieder zurückgekommen bin, hat mich total gestärkt.

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Du bist dann mit 23 für Deinen Arbeitgeber nach Argentinien gegangen. Hattest Du Fernweh oder warum bist Du diesen Schritt gegangen?

Das hing damals mit meiner BWL-Ausbildung zusammen, bei der ein Auslandsaufenthalt vorgesehen war.

1997 als junge deutsche Frau nach Argentinien zu gehen, war dennoch sehr ungewöhnlich. Als ich dort war, verstand ich auch warum, denn die Unterschiede der Geschlechterrollen waren dort viel extremer als bei uns damals.

Innerhalb des Unternehmens hatte ich mit meinem Status einen relativ hohen Status, den nicht alle gut aufgenommen hatten. Mein soziales Umfeld musste ich mir also außerhalb der Firma suchen, habe dann schnell mein spanisch verbessert und in einem Segelverein meinen Segelschein gemacht.

Ich glaube wer nie aus seiner Kultur rauskommt, verpasst die Chance sich selbst zu reflektieren. Denn wenn ich in einer fremden Kultur mehr, dass ich diejenige bin, die anders ist, dann bin ich zu einer inneren Auseinandersetzung gezwungen. 

Und diese innere Auseinandersetzung, die wir auch Selbstreflexion nennen, die ist der Grundbaustein für jede Art des Wachstums.

Stefanie Voss Portrait SegelnMit 25 hast Du auf einem Segelschiff angeheuert und eine Weltumseglung gemacht. Was hat Dich daran so gereizt?

Also erstmal habe ich das nicht alleine gemacht. Ich war damals beruflich in Buenos Aires, Argentinien. Und dann sollte der Standort nach São Paulo (Brasilien) verlegt werden, was ich damals sehr unattraktiv fand. Aber ich wollte auch nicht nach zwei Jahren schon wieder zurück nach Deutschland.

Wie es der Zufall wollte, erfuhr ich von einer Segelgruppe, die eine Weltumsegelung macht und auch in Argentinien vorbeikommt. Also, habe ich mir bei Bayer unbezahlten Urlaub genommen und bin mit der Gruppe mitgesegelt.

Was hast Du von der Weltumsegelung für Deine Karriere mitgenommen?

Das war nochmal eine besondere Art der Selbstreflexion. Die unglaubliche Enge auf dem Schiff und die lange Dauer, die man zusammen auf dem Boot „eingesperrt“ ist, sind natürlich Nährboden für Konflikte.

Ich habe aber gemerkt, dass die Haltung „die anderen sind alle doof und an mir liegt‘s nicht“ das Dümmste ist, was man machen kann. Wenn man stattdessen seine Haltung und sein Verhalten verändert, kann man aus jeder Konfliktsituation etwas lernen.

Nach dieser Zeit war ich echt froh wieder zu arbeiten und meinen Grips für etwas einzusetzen. Viele sagen ja mit einem Sabbatical macht man sich die Karriere kaputt – bei mir war es genau das Gegenteil. Jeder bei Bayer kannte mich, es wurde in der Unternehmenszeitschrift über mich geschrieben und ich war natürlich als Persönlichkeit massiv gereift.

Du bist dann wieder nach Deutschland zurückgegangen und warst mit 31 Jahren Abteilungsleiterin in einem DAX-Konzern. Wie kam es dazu?

Ich war schon immer ambitioniert und durch die Weltumsegelung sehr menschenorientiert. Außerdem habe ich das immer wieder kommuniziert, dass ich mir eine Führungsposition gut vorstellen kann. Dass die günstige Gelegenheit so schnell kam, hätte ich auch nicht gedacht.

Wie wichtig ist aus Deiner Sicht der Faktor Diversität in deutschen Unternehmen?

Viele Unternehmen tun so, als sei es ihnen total wichtig. Wenn dann aber wirklich jemand mit einer neuen Idee kommt, greifen die alten Muster.

Hier will ich aber gar nicht kleine Unternehmen zu sehr loben und große zu sehr kritisieren. Große Unternehmen haben da oft den Ballast eines kulturellen Erbes. Es ist viel schwieriger in einer jahrzehntelang gewachsenen Kultur etwas aufzubrechen.

Allgemein haben wir in Deutschland eine sehr geringe Fluktuation, was ebenfalls für eine geringe Diversität sorgt. In den USA sind durch die relativ hohe Fluktuation auch große Unternehmen wandelbarer.

2009 hast Du dann Deinen Kurs geändert und hast Dich selbstständig gemacht. Was waren die Gründe dafür und womit hast du angefangen?

Also erstmal wichtig: Ich bin kein Corporate-Hasser.

Das kam durch ein schweres Ereignis. Bei meiner zweiten Schwangerschaft hatte ich eine Schwangerschaftsvergiftung, die ich und mein Sohn nur knapp überlebt haben.

Die Ärztin meinte dann zu mir: „Schauen Sie sich ihr letztes Jahr an: Was würden Sie nochmal so machen und was würden sie anders machen?“

Mir wurde klar, ich möchte arbeiten und Familie, aber nicht mehr das Pensum an Arbeit wie ich es hatte. Also gab ich meinen Posten ab, der mir sehr viel Spaß gemacht hatte, und nahm ich mir erstmal Elternzeit, um mich neu zu orientieren.

Ich bin dann ein Stück weit in mein altes Metier zurückgegangen, also Kommunikations-Beratung, Workshops und Moderation. Und das hat sich dann zu dem entwickelt, was es heute ist, also Coachings, Workshops und Vorträge, primär im B2B-Bereich für Führungskräfte.

Stefanie Voss Portrait PiratenstrategieMittlerweile bist Du auf den Bühnen dieser Welt zuhause und hältst Vorträge bei großen Unternehmen. Einer davon ist die Piratenstrategie. Was kann ich mir darunter vorstellen?

Der übergeordnete Aspekt der Piratenstrategie ist der Wagemut. Ich zeige den Leuten was es bedeutet den Status Quo hinter sich zu lassen.

Ein guter Vortrag muss auch unterhaltsam sein und deswegen sind in meinen Vorträgen einige passende und schöne Seeräuber-Geschichten drin.  

Meine Botschaft ist, dass es schon richtig ist, dass wir uns Fähigkeiten aneignen sollten und das Potenziale wichtig sind, aber es braucht eben auch diese Gänsehautmomente, dass ich mir immer wieder neue Dinge zutraue.

„Nein sagen ist wichtig“

Ein weiteres Thema von Dir ist Veränderung. Warum ist es Deiner Meinung nach so wichtig, immer wieder neu zu denken und zu handeln – sowohl privat als auch beruflich? 

Wenn ich mir die Generationen meiner Eltern ansehen, sehe ich, dass es dort längere Phasen der Stabilität gab, die es heute in der Form nicht mehr gibt.

Ich denke die aktuelle Situation zeigt, dass wir uns auf das Unverlässliche und das Unkalkulierbare immer mehr einstellen müssen. Wenn wir unser Glück von „Normalität“ abhängig machen und das alles stabil bleibt, wird es schwierig.

Welchen Einfluss hatte Corona auf Deine Selbstständigkeit und wie hast Du Dich darauf eingestellt?

Grundsätzlich hat sich meine 3-Standbein-Strategie bewährt und auch, dass ich mir Rücklagen gebildet hab. Aber auch mich hat Corona natürlich hart getroffen.

Ich hab mir mal die „disruptive“ Frage gestellt: „Was wäre wenn es meine Branche, also die Entwicklung von Führungskräften durch Trainings/Coachings/Beratung, nicht mehr geben würde?“

Ich hab mir dann einen Plan B zurechtgelegt, der schon in meinem Hinterkopf schlummerte, wenn es wirklich keine Perspektive mehr in meiner Branche geben sollte: Und dieser Plan B ist, eine Schreiner-Lehre zu machen.

Ich hab mich gefragt: Was brauchen Menschen immer? Woran habe ich Spaß? Was kann ich mir vorstellen wirtschaftlich gut zu betreiben, so dass ich auch meine Kenntnisse von Marketing, Betriebswirtschaft, Kundenansprache einfließen lassen kann?

Dieser Plan B hat mir so viel Sicherheit gegeben, dass ich bei meinem Plan A wieder voll die Fühler ausstrecken konnte, was dort noch geht. Vorträge sind fast komplett zusammengebrochen. Dafür ist das Coaching nun umso gefragter. Da hat sich die 3-Säulen-Strategie total bewährt. 

Zum Abschluss würde ich gern noch das obligatorische Wordshuffle machen. Ich nenne Dir unterschiedliche Begriffe und Du sagst, was Dir dazu einfällt. 

Gute Führung

Gute Führung ist in erster Linie ein ganz guter Kontakt zu mir selbst. Nur wenn ich zu mir selbst einen guten Kontakt habe, kann ich guten Kontakt zu anderen haben. Und wenn ich dann noch eine konkrete Idee oder Richtung habe, dann ist das gute Führung.

Agilität

Agilität ist mittlerweile ein fürchterliches Buzzword. Agilität heißt für mich, dass ich meine Denk- und Verhaltensmuster immer wieder hinterfrage und mir bewusst neue Erfahrungen zumute.

Argentinien

Argentinien ist ein wunderschönes Land mit wunderbaren Menschen, die leider ganz viel dafür tun, unter ihren Möglichkeiten zu bleiben. Die Mentalität ist eigentlich super herzlich und super nett, aber so von Korruption, Unverbindlichkeit und ein Stück weit Egoismus geprägt, dass es ganz schwierig ist Argentinien auf einen grünen Zweig zu bringen. 

VUCA

Der Begriff VUCA ist ein Akronym aus dem Amerikanischen und steht für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität.

Ich übersetze das immer so: Wir leben in einer Welt, in der Unkalkulierbarkeit die Norm ist. 

Wenn von außen keine Stabilität mehr kommt, kannst du dich nur noch selbst von innen heraus stabilisieren. Und das ist die große Aufgabe, diese Stabilität selbst für sich zu erzeugen.

Erfolg

Erfolg ist etwas sehr persönliches und individuelles. Erfolg hängt für mich eng mit dem Glücksgefühl zusammen, über das wir am Anfang gesprochen haben. Wenn ich mit den richtigen Menschen am richtigen Ort zusammen bin, habe ich das Gefühl etwas erreicht zu haben. 

Für mich ist Erfolg wenig materialistisch und sehr wenig monetär.

Segeln

Segeln ist die wunderbarste Art sich selbst und der Welt zu begegnen. Draußen auf dem Ozean gibt es nichts außer Wasser und Himmel und das macht dich sehr demütig.

Mut

Ich mag ja noch lieber den Wagemut. Ist eine Ingredienz in unserem Leben, die wir notorisch unterschätzen. Wir haben ganz häufig sehr viel in uns, aber brauchen einen Funken, der zündet und das freisetzt – und das ist der Wagemut. Den braucht es gesellschaftlich und individuell viel mehr.

Wenn immer mehr Menschen an diesen Funken glauben und ihn nutzen, haben wir die Möglichkeit diese Welt Stück für Stück neu und besser zu gestalten.

Bilder: Stefanie Voss

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3 Antworten

  1. Einführend muss ich sagen, dass ich mit der Grundaussage von Stefanie Voss voll und ganz und uneingeschränkt zustimme. Mehr Wagemut ist gerade in großen Unternehmen (und vielleicht auch in der öffentlichen Verwaltung) auf jeden Fall erforderlich. Und dafür sind Coaches und Keynotespeaker meines Erachtens auch ein legitimer Weg. Ich glaube das Problem ist oft, dass sowas gerade bei großen Konferenzen von der Geschäftsleitung bestellt wird und die Belegschaft allein deshalb schon misstrauisch ist, nach dem Motto: „was wollen die jetzt schon wieder mit der Propaganda?“ Aber das ist ja nicht die Schuld der Speaker, sondern eher der Grund warum ich es manchmal für verlorene Liebesmühe halte. Leider habe ich über die Jahre auch in der Vielzahl der Fälle eher Luftpumpen erlebt, die diesen Job machen.

    Mit diesem Vorurteil bin ich auch an das Interview rangegangen, als ich „Keynotespeaker“ gehört habe und meine Vorurteile wurden leider zum Teil bestätigt. Um es mal vorsichtig auszudrücken, hatte ich das Gefühl, dass hier aus ziemlich mondänen Lebenserfahrungen eine Erzählung hochstilisiert wurde, die das Coaching und das Keynote speaken wohl als die natürliche Kulmination der Erfahrungen darstellen soll.

    Megaviele Leute waren in den US auf der Highschool. Ich mag mit meiner ersten Gastfamilie Glück gehabt zu haben, aber gefühlt jeder zweite hat seine gewechselt. Als ich im französisschsprachigen Ausland studiert habe, haben viele meiner Freunde dort Segelscheine gemacht und hatten damit jetzt nicht so Probleme (und manche konnten wirklich fast kein französisch); ich hatte damals schon den Segelschein und auch keine Ahnung von den Vokabeln das war aber auch ohne Vorbereitung alles kein Problem. Meine Mutter ist Ende der 60er ohne Job einfach auf ein Schiff gestiegen und nach Argentinien gefahren und hat sich dort einen Job gesucht, ohne den Bayerkonzern im Rücken, eine Wohnung und Auto gestellt zu bekommen da mehrere Jahre gut gelebt bevor sie wieder nach Deutschland zurück kam.

    Um das nicht falsch darzustellen. Ich find alles cool, was Stefanie Voss gemacht hat und will überhaupt nicht sagen, dass ich so toll bin, dass ich vieles davon auch gemacht habe. Ich bin n ziemlicher average Joe und kenne insbesondere viele Menschen, die deutliche klüger, talentierter und umtriebiger sind, als ich. Genau deswegen stößt mir das alles als so konstruiert auf. Letztes Beispiel:

    „Ich war da vielleicht einfach meiner Zeit voraus,“ sagt sie, als das mit dem Podcast 2010 nicht geklappt hat. Ich bin seit 2005 Podcast-Junkie und kannte mich gerade in den Anfangsjahren eigentlich ganz gut in der Landschaft aus. Auch 2005 gab es schon sehr erfolgreiche Podcasts, sowohl zu verwandten Themen, als auch von Deutschen. Leider kann man – da die Deutschen irgendwie davon ausgehen, Podcasts gibt es erst seit 2018 – dann erzählen, man wäre 2010 der Zeit vorausgewesen. Vielleicht war der Podcast halt auch einfach nicht erfolgreich, wie über den Daumen geschätzt auch 99,9 % aller anderen Podcasts. Ist ja nicht schlimm, aber das kann man doch auch einfach so sagen.

    Schade also, dass das alles so ein bisschen konstruiert wirkt. Dann fragt man sich sofort auch, ob die Ärztin den Spruch denn wirklich gesagt hat und der Zyniker will ich echt nicht sein, dem dann solche Gedanken kommen. Gerade, was Diversität angeht, hat sie ja sooo recht!

    Wo ich aber heftigst widersprechen muss, ist das Thema anonyme Kommentare im Internet. Die Anonymität oder vielleicht besser Pseudonymität ist ein altes Prinzip des Internets, das mir dann doch zu oft unüberlegt in Frage gestellt wird. Klar, unsachliche, verletzende und in den strafrechtlich relevanten Bereich gehende Kommentare kann und sollte man mE gerne löschen. Aber diskutieren kann man mit den Leuten ja, egal ob das Max Mustermann oder Paula Müller oder HasiMausi2021 ist. Es hat ja auf die Diskussion keine Auswirkung, ob ich danach jemand mit Klarnamen stalken kann oder nicht. Dieses Argument des offenen Visiers ist ja auch ziemlich transparent (no pun intended) und bei genauem Hinsehen auch einfach nur Schwachsinn. Wozu braucht Stefanie Voss denn das offene Visier? Will sie mich nach der Diskussion auf LinkedIn finden und versuchen, mir ihr Coaching zu verkaufen 😉 Aber inwieweit würde mein Kommentar hier davon profitieren, wenn ich meinen vollständigen Namen nutzen würde?

    1. Hallo Adrian,

      erstmal vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung zur Podcast-Folge. Ich denke, dass Du das deutlich zu kritisch siehst. Man kann generell wirklich alles hinterfragen und in eine negative Ecke ziehen. Bringt aber am Ende rein gar nichts – außer schlechter Laune.

      Freut mich für Dich, dass Du ebenfalls so viele Erfahrungen (auch im Ausland) sammeln konntest. Das ist in Deutschland trotzdem eher die Ausnahme als die Regel. Für mich klingen Deine ganzen Aussagen wirklich sehr subjektiv. Von daher mögen die Kritikpunkte für Dich vorhanden sein, aber für einen Großteil der Hörer sind sie es nicht.

      Bestes Beispiel ist das Thema Podcast. Ich glaube, dass es nicht mal 1 % der Deutschen gibt, die schon 2005 Podcasts gehört haben. Selbst 2015 als ich gestartet bin, gab es nur sehr wenige Podcasthörer hierzulande. 2010 war das Thema Podcasts in Deutschland nicht vorhanden. Von daher war Stefanie ihrer Zeit dann auch voraus. Ich habe mit meinen Podcasts einfach Glück gehabt, dass ich so langsam in die Podcast-Boomphase reingestartet bin, die dann erst 2017 kam. Alle anderen Argumente von Dir sind aus meiner Sicht genauso subjektiv von Dir ausgelegt und verallgemeinert worden. Ich respektiere Deine Meinung, sehe es jedoch komplett anders.

      Und ich bin auch so ein „Average Joe“, der in den letzten 5 Jahren extrem viele Geschichten von komplett unterschiedlichen Menschen gehört hat – nicht nur im Podcast. Vor allem sehe ich aber auch die Geschichten von meinen ehemaligen Kolleginnen und Kollegen in den alten Jobs. Da hat nicht einer so einen Lebenslauf wie Stefanie – nur abseits der „normalen“ Pfade habe ich sie entdeckt.

      „Mehr Mut zum Glück“ soll etwas andere Lebensgeschichten erzählen und die Geschichte von Stefanie passt da sehr gut rein. Das muss natürlich nicht jede/r so sehen, aber auf mich wirkt es so als wärst Du mit Deinen Vorurteilen in die Folge gestartet und hast bewusst nach negativen Punkten gesucht. Meine Sichtweise auf das Gros der Keynote-Speaker liegt gar nicht so weit weg von Deiner, aber ich finde, dass Du Stefanie da Unrecht tust.

      Viele Grüße
      Daniel

  2. Hi Daniel,
    dann ist mein Kommentar glaube ich falsch rübergekomme. Ich bin gar kein Grantler, der in allem nur das Negative sieht oder sehen will. Vor allem freue ich immer, wenn meine Vorurteile zestrört werden. Leider – und davon kann ich mich anscheinend auch nicht losmachen – motiviert Kritik gerade im Internet etwas mehr zum Kommentieren, als Lob. Witztigerweise, wenn ich was in einem Podcast toll finde, dann verbreite ich das eher über Twitter, damit andere auch davon profitieren können und wenn ich Kritik habe komme ich anscheinend hierher. (Fällt mir gerade erst auf, da ich mein Verhalten hinterfrage) Ich finde übrigens schon, dass man generell alles hinterfragen sollte, man muss nur nicht immer das Maul aufreißén 😉 aber ich glaube, das meintest Du auch….
    Klar habe ich eine subjektive Perspektive, ich habe wohl auch eher die Perspektive derjenigen eingenommen, die ich als ihre Kunden verstehe. Ich wollte ihre Erfahrungen auch gar nicht schlechtmachen. Viele davon würde ich selber auch gerne machen (Weltumseglung) und bin sehr neidisch, weil das in mein Leben wahrscheinlich nicht mehr reinpassen wird. Was mich wahrscheinlich gestört hat ist, das für mein Gefühl hier Sachen hochgejazzed wurden. Man kann einen erfolglosen Podcast nachträglich auch als seiner Zeit voraus framen (erfolglos ist nicht negativ gemeint, kann ja auch ne wertvolle Erfahrung sein). Mein Gefühl ist halt, es gab auch damals schon viele erfolgreiche Podcasts und wer sagt denn dass er heutezutage erfolgreich wäre. Das ist nur ne Darstellungssache, aber deswegen bin ich wahrscheinlich auch nicht gut in Werbung oder würde es – aber das ist dann auch wieder ne Stilfrage – wohl eher selbstironisch darstellen, dass ich mal mit nem Podcast auf die Fresse geflogen bin als ich mich gerade selbstständig gemacht habe und damals noch mehr Zeit hatte weil heute hätte ich dafür gar keine Zeit mehr. Dann habe ich auch zu verstehen gegeben, dass ich 2010 meiner Zeit voraus war und habe es als coole Fail-Story dargestellt und ein bissl über mich selber gelacht.
    Deutlich psotiv fand ich übrigens, dass ich sie sehr sympathisch fand und dass sie so erfrischend wenig in Allgemeinplätzen, Buzzwords und Phrasen gesprochen hat. Das wäre für mich sehr viel mehr Werbung, als die Annekdoten.
    Danke jedenfalls für Deinen Podcast, darin habe ich auf jeden Fall schon vieles gehört, was ich echt superspannend fand – ich halte mich nämlich überhaupt nicht für so nen abgeklärten Typ, den gar nichts mehr beeindruckt.
    Liebe Grüße
    Adrian

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Mit seinem Blog „Off the Path“ gehört Sebastian Canaves zu den Urgesteinen der Digitale-Nomaden-Szene. Kurz vor dem Studienabschluss brach er sein Studium ab, um als Reiseblogger über die Abenteuer in der Welt zu berichten. Während der Corona-Pandemie musste er sich komplett umstellen. Heute veröffentlicht er Bücher und ist sogar Reiseanbieter. Seine ganze Geschichte erzählt Sebastian heute bei „Mehr Mut zum Glück“.
Dirk Rohrbach entwickelte auf Reisen durch die USA eine starke Leidenschaft für das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Nach einer sechsmonatigen Reise auf dem Fahrrad quer durch Nordamerika beendete er seine Tätigkeit als Arzt. Fortan arbeitete er nur noch als Radiomoderator. Nach einer weiteren langen Reise kündigte er 2010 auch diesen Job. Seit elf Jahren ist er nun als Fotograf, Abenteurer, Buchautor und Podcaster in Nordamerika unterwegs. Seine spannende Geschichte erzählt er in Folge 23 von „Mehr Mut zum Glück“.