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Interview mit Valentin Schellhaas
Was macht man eigentlich, wenn beruflich das Gefühl da ist in einer Sackgasse zu stecken? Dr. Valentin Schellhaas arbeitete erfolgreich als Strategieberater in San Francisco und anschließend als Führungskraft bei verschiedenen Internetfirmen wie Westwing. Nachdem er in immer kürzeren Intervallen die Jobs wechselte, stellte er sich die Frage, ob ihn das alles überhaupt noch zufrieden stellt.
Vor 4 Jahren gründete er mit Regina Maueröder und Despina Giannopoulou ein interessantes Start-up, das sich mit der eigenen Bestimmung und nachhaltiger Unternehmenskultur beschäftigt. Aus den Fragen, die sich Valentin selbst gestellt hat, machte er praktisch seinen Beruf. Seine ganze Geschichte erzählt er heute bei „Mehr Mut zum Glück“.
Mit Valentin spreche in 65 Minuten über das Finden des beruflichen Glücks, Ansätze aus der Glücksforschung und inwieweit die neue Arbeitswelt einen Einfluss auf die eigene Zufriedenheit hat.
Es ist ein sehr interessantes Gespräch mit vielen Facetten geworden.
Shownotes
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Zusammenfassung des Interviews
Wie definierst Du persönlich Glück?
Für mich ist Glück die kleinen Glücksmomente zwischendurch – meine Tochter im Arm zu haben, Kitesurfen, romantisches Dinner mit meiner Frau, ein schöner Urlaub.
Und die Definition von Glücksmoment ist, wenn die gelebte Wirklichkeit die Erwartung erfüllt oder übertrifft.
Du bist promovierter Psychologe. Was hat Dich am Studium menschlichen Erlebens und Verhaltens so gereizt?
Vor allem der Ansatz der Psychoanalyse – der Versuch den Menschen aus einer übergeordneten Theorie erklären zu wollen. Viele von den Ansätzen, z.B. nach Freude, sind mittlerweile überholt. Aber der Grundsatz, dass der Mensch ein Unterbewusstsein hat, das einen Großteil steuert, finde ich bis heute faszinierend.
Ich habe mich dann auf die Schnittstelle von Psychologie und Ökonomie spezialisiert und auch promoviert. Ich wiederspreche dem Ansatz, dass der Homo Oeconomicus und der Homo Psychologicus so unterschiedlich seien. Gerade beim Thema Berufswahl kommen diese beiden Konzepte auf interessante Weise zusammen.
Mitgründer von Zentor
Du hast dir eine sehr erfolgreiche Karriere aufgebaut. Was hast Du genau gemacht?
Das ist natürlich Definitionssache, was erfolgreiche Karriere bedeutet. Ich war zunächst 8 Jahre in der Unternehmensberatung und habe etwa 60-70 Stunden pro Woche gearbeitet.
Bei einer Geschäftsreise in San Francisco hab ich mich von der ausgeglichenen Arbeitsmentalität anstecken lassen. Auch die Geburt meiner Tochter hat zum Umdenken angeregt. Ich hab mir vorgenommen, dass ich zurück in Deutschland nie wieder in der Beratung arbeiten möchte.
Dann habe ich in mehreren Startups im Marketing-Bereich gearbeitet. In Startups lernt man in kurzer Zeit unglaublich viel, was ein wichtiger Wert für mich ist.
Aber da fehlte immer noch was. Ich hab mich auf meine Wurzeln der Psychologie besinnt und viele Studien gelesen. Ich erkannte, dass mir der tiefere Sinn fehlte.
So ist mein eigenes Startup „Zentor“ entstanden. Zentor ist eine Online-Plattform, die dabei hilft den tieferen Lebenssinn in Beruf und Privatem zu erkennen. Die Botschaft ist, dass Glück nicht aus Besitztümern entsteht, sondern durch die eigenen Stärken, Selbstwirksamkeit und persönliche Leidenschaft. Wir vermitteln die Möglichkeit, dass sich daraus auch ein Einkommen aufbauen lässt.
Das klingt so einfach. Hast du denn jetzt dein Glück gefunden und kannst gut davon leben?
Ein Startup aufzubauen, ist ein Weg, der viele Herausforderungen bietet. Wir (meine zwei Co-Founder und ich) sind nicht durch Investoren finanziert, sondern finanzieren alles selbst durch Freelancer-Tätigkeiten, die wir nebenher machen. Dadurch haben wir die Freiheit alles selbst zu entscheiden und das Unternehmen in Ruhe aufzubauen.
Mittlerweile nach fast 4 Jahren sind wir an einem Punkt, wo langsam Traktion entsteht und wir uns eigene Gehälter auszahlen können. Vor allem die Unternehmens-Workshops erzeugen ein Product-Market-Fit.
Du reflektierst alle 6 Monate, ob die Richtung, die du einschlägst, noch stimmig ist und ob du dich verändern möchtest. Von mir und meinem Bekanntenkreis kenne ich das typischerweise nach zwei Jahren. Wie ist das bei deinem Bekannten- und Freundeskreis?
In meinem Bekanntenkreis sind es meist eher 3-5 Jahre. Bei den meisten merkt man, dass sie zwar hinterfragen, was sie tun, aber Schwierigkeiten haben, sich zu ändern. So habe ich für mich erkannt, dass hier ein Bedarf besteht, die Menschen dabei zu unterstützen.
Wie sieht diese Unterstützung aus?
Der erste Schritt ist es, verschiedene Ansätze aus der Wissenschaft über Glück zu vermitteln, von den alten Philosophen und aus der Positiven Psychologie sowie Neurowissenschaften.
Der zweite Schritt ist dann, diese rationalen Antworten in Verhaltensänderungen zu übersetzen.
Das passiert z.B. über die Online Kurse und 1:1-Gespräche. Auch Unternehmen haben erkannt, dass auch das Arbeitsumfeld dazu dienen kann, dass sich die Mitarbeiter entsprechend dieser Ansätze entfalten können. Durch unsere Workshops helfen wir ihnen dabei, das umzusetzen.
Viele Menschen teilen uns immer wieder mit, dass sie so viel Stress haben, dass sie gar nicht wissen, wie sie Raum für diese Sinn-Themen finden können. Deswegen ist unser erster Kurs ein Anti-Stress-Kurs, bevor man sich dem tieferen Sinn und der Glücksforschung widmet.
Wie erreicht man ein erfülltes Leben?
Hast du ein paar Beispiele für Ansätze der Glücksforschung, die ihr vermittelt?
Zunächst mal über die Definition von Glück. Glücksmoment bedeutet, wenn die erlebte Wirklichkeit meinen Erwartungen entspricht oder meine diese übersteigt.
Das heißt, um das persönliche Glücks-Empfinden zu steigern, können wir bspw. durch Achtsamkeits-Übungen die erlebte Realität bewusster wahrnehmen und bewusst Glücksmomente schaffen.
Durch Dankbarkeits-Übungen können wir auf der anderen Seite unsere Erwartungen etwas runterbringen, um so wieder mehr Glück und Dankbarkeit für die kleinen Dinge zu erfahren.
Um nun bewusst mehr Glück zu kreieren, gibt es nach Aristoteles 3 Ebenen:
- Purpose / Lebens-Sinn finden (Kognition)
- Engagement / Leidenschaft (Motivation)
- Zwischenmenschliches / Anerkennung / Liebe (Emotion)
Unser Fokus liegt auf dem Thema Lebenssinn finden.
Hierzu gibt es spannende Studien, die unser westliches Denken über Lebenssinn erstmal auf den Kopf stellen:
- Das Happiness-Income-Paradox zeigt, dass es auf der Makro-Ebene keinerlei Korrelation zwischen Einkommen eines Staates und dem Glücks-Empfinden der Einwohner gibt.
- Auf der individuellen Ebene sieht es ähnlich aus. Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahnemann hat herausgefunden, dass bis zu einem gewissen Einkommens-Niveau, die Lebenszufriedenheit steigt.
- Die Grenze liegt bei einem Einkommen von 75.000 US-Dollar Brutto-Haushaltseinkommen (etwa 61.000 Euro bzw. 5.000 Euro monatlich). Danach gibt es keine signifikante Steigerung mehr.
- Eine Studie aus Japan zeigt, dass Menschen, die einen tieferen Lebenssinn (Ikigai) gefunden haben, eine höhere Lebenserwartung haben.
Wie schafft man es, seinen Lebenssinn zu finden, wenn man vielleicht schon viele Jahre beim gleichen Arbeitgeber arbeitet und sich die Arbeit auch nicht ändert?
Ich bin ein großer Fan von projektbasiertem Arbeiten. Für die meisten ist ein radikaler Schnitt nicht das Richtige, sondern eher, dass sie neben dem Job ein Projekt am Wochenende aufbauen. Nach bspw. einem halben Jahr kann man in Ruhe reflektieren, ob es das Richtige ist oder ob man etwas anderes weiterverfolgen möchte.
Purpose bedeutet: Was sind meine Werte und Stärken, wo ich Wirkung auf andere habe und über mich hinaus gehe?
Viele wissen jedoch nicht was ihre besonderen Stärken sind, weil die normale Bildungs- und Arbeitswelt immer eher auf die Schwächen schaut, und wie diese ausgebessert werden können, anstatt die Stärken zu fördern.
Außerdem neigen wir von Natur aus dazu, unsere eigenen Stärken nicht zu erkennen, weil wir sie als selbstverständlich ansehen.
Wir erkennen unsere Stärken am besten, wenn wir uns in ein neues Themenfeld begeben, also beispielsweise solche eigenen Projekte.
Vielen Menschen fällt es schwer, dauerhaftes Glück zu finden und ein erfülltes Leben zu führen. Müssen wir unser Anspruchsdenken runterschrauben?
Zunächst mal ist die Frage, ob es wirklich so vielen Menschen schwer fällt. Es gibt vor allem zwei Perspektiven, wie wir ein erfülltes Leben erreichen:
-
- Die einen sagen, es ist das Streben nach dem Glück. Der Weg ist das Ziel und spornt uns an.
- Die anderen sagen, die Zufriedenheit mit dem was man hat, macht glücklich. Das Streben nach Glück löst Stress in den Menschen aus. Die Gegenseite findet, dass durch die Zufriedenheit, die Motivation fehlt, weiterzumachen.
Manche Menschen haben vielleicht tatsächlich eine zu hohe Erwartungshaltung. Hinzu kommt, dass Glück kein fixer Zustand ist, und das Leben häufig erst rückblickend erfüllend ist. Im aktuellen Moment sind es immer mehr die einzelnen Glücksmomente, die uns erfüllen.
Der Psychologe und Autor Jordan Peterson meint: Leben ist Leiden. Und das Leben besteht darin Leiden zu vermeiden. Ich finde das ist eine recht düstere Ansicht.
Welche Ziele hast du noch, um deinem Lebenssinn näher zu kommen?
- Mehr im Hier und Jetzt leben. Ich lebe häufig zu sehr in der Zukunft.
- Meine Rolle im privaten Leben, in der Familie und Gesellschaft finden und festigen
- Ich würde gerne mal ein Buch schreiben
- Ich wünsche mir, dass meine Familie und ich aus der Zeit in Mexiko viel für unser Leben mitnehmen
- Alle 6 Monate checke ich, ob ich noch auf dem richtigen Weg bin und meinen Zielen näher komme und ob mein Leben in Balance ist
Wie gehst du bei der Zielefeststellung vor, machst du dir eine Checkliste?
Ja genau, sowohl für das Startup als auch privat lege ich große Ziele fest und als Unterpunkte einzelne Schritte, wie ich das Ziel erreichen kann. Das läuft handschriftlich oder per E-Mail.
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