“Als Frau allein mit dem Fahrrad um die Welt” – Interview mit Dorothee Fleck

Folge: 22

Viele meiner Interviewgäste bei “Mehr Mut zum Glück” haben den Punkt gemeinsam, dass sie sich in ihrem normalen Alltag nicht mehr wohlgefühlt haben. Genauso erging es auch meinem heutigen Gast Dorothee Fleck. Sie kündigte ihren Job und machte sich mit dem Fahrrad auf ins Abenteuer. Dorothee plante eine lange Weltumrundung auf zwei Rädern. Allein als Frau. Als sie wieder zuhause war, plante sie gleich die nächste Tour um die Welt. Und danach wollte sie allein mit ihrem Fahrrad auch Afrika umrunden. Über ihre zahlreichen Erlebnisse und Herausforderungen spricht sie in Folge 22 von “Mehr Mut zum Glück.”

Inhalt

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Überblick Dorothee Fleck

Dorothee Fleck hat einen spannenden Weg hinter sich gebracht und hat auch schon eine ganze Menge von der Welt gesehen. Von Südostasien über China oder Südamerika bis hin zu Afrika hat sie alles mit dem Fahrrad erkundet. Deshalb habe ich die Autorin in meinen Podcast eingeladen.

In der Dezember-Folge geht es um komplette Änderungen im Leben, Herausforderungen in fremden Ländern und der lange Weg zurück in ein sesshaftes Leben in Deutschland. Der Podcast-Titel “Mehr Mut zum Glück” passt tatsächlich sehr gut zu Dorothee Fleck und ihrem Weg.

Heute ist sie als Speaker selbstständig und tatsächlich wieder sesshaft geworden. Ihre Touren gehen jetzt eher ins benachbarte Frankreich.

Wir tauchen in den kommenden 75 Minuten in fremde Kulturen, entbehrungsreiche Touren und etwas andere Herausforderungen ein.

Shownotes: Als Frau allein mit dem Fahrrad um die Welt

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Als Frau allein mit dem Fahrrad um die Welt
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Zusammenfassung des Interviews

Was bedeutet Dir persönlich Glück?

Ich hab für mich mal beschlossen, dass ich ein glücklicher Mensch bin. Immer wenn es mir mal nicht so gut geht, erinnere ich mich daran und sofort geht es mir besser. Eine selbsterfüllende Prophezeiung. Für mich ist Glück auch Verzicht auf Materielles. Ich glaube viele machen den Fehler, dass sie ihr Glück im Außen suchen.

Du bist mit Deinem Fahrrad einmal komplett um die Welt gefahren und bist 61.000 km in 127 Wochen gefahren. Wie kam es denn überhaupt 2007 zu dem Entschluss?

Ich hatte eigentlich ein schönes Leben mit meinem Job, aber ich habe gespürt, dass es nicht mehr meine Welt ist. Ich habe schon damals im Urlaub immer Fahrradreisen gemacht. Nach einer Fahrradreise in der Hitze Jordaniens wusste ich: Wenn ich jetzt immer noch mit dem Fahrrad reisen will, dann kündige ich.

Wie hast du die Reise finanziert?

So eine Fahrradreise ist sehr günstig. Übernachtung meistens im Zelt, keine Transportkosten und alle sonstigen Kosten sind außerhalb Deutschlands sowieso sehr niedrig. Außerdem habe ich eine abbezahlte Wohnung, die ich für den Zeitraum vermietet hatte.

Wieso gleich die ganze Welt?

Ich war ja mit dem Fahrrad schon an vielen Flecken dieser Welt. Von daher war eine Weltreise der nächste Schritt. Das hat auch meine Familie so wahrgenommen, die meine Pläne sehr gut angenommen hat.

Wie hat Dein Umfeld darauf reagiert?

Mein engeres Umfeld kannte mich ja schon, dass ich mir nichts sagen lasse. Bei denjenigen, die mich nicht so gut kannten, war es schon problematischer. Sie konnten nicht verstehen, wie ich so einen sicheren und gut bezahlten Job einfach so aufgebe. Besonders viel Kritik bekam ich, dass ich nach Afrika reisen wolle.

Hattest Du keine Sorgen allein Frau ins Ungewisse zu fahren?

Nein, ich hatte ja schon einige Reisen gemacht auch in Afrika, von daher wusste ich schon, worauf ich mich einlasse. Es gibt den Spruch „Freude vertreibt alle Ängste“. Wenn ich mir Gedanken darüber mache, was alles Tolles passieren kann, anstatt was schief gehen kann, dann spüre ich keine Angst.

Dorothee beim Zelten in Australien

Wie hast Du damals die Route geplant?

Die erste Station war die Mongolei, wozu ich durch Russland gereist bin, und anschließend Vietnam. Von dort habe ich ein paar Schlaufen im südostasiatischen Raum gedreht: Thailand, Kambodscha, Bali. Danach kamen Australien, Südamerika und Nordamerika. 

Von Süddeutschland aus hast Du Dich auf den Weg gemacht. Bis China ging es ohne Probleme. Was war die Herausforderung in China?

2008 in China war die Olympiade. Ich dachte, dass die Regularien für ein Visum erleichtert würden, aber das Gegenteil war der Fall. Nach 4 Wochen Wartezeit hatte ich endlich das Visum. In China angekommen, gab es alle paar Kilometer strenge Kontrollen, vor allem je näher ich an Peking rankam. In Peking angekommen, wollte ich in ein Hotel einchecken. Dann kamen aber Polizisten und führten mich ab in einen Hochsicherheitstrakt. Ich hatte keine Angst, aber war wütend über diese Freiheitsberaubung. 

Nach der „Freilassung“ ging es mit der Kontrolle in Peking recht streng weiter, was wohl am meisten an der Olympiade lag. Dann fuhr ich mit dem Zug von Peking nach Wuhan, wo ich auch normal in Hotels übernachten konnte, und dann weiter nach Vietnam.

Eine besondere Herausforderung auf Weltreise ist, dass man immer rechtzeitig ein Visum für das nächste Land bekommt und weiß, in welchem Land man am besten welche Visa bekommt. Nicht jedes Land hat von jedem Land eine Botschaft. Das hat, bis auf China, zum Glück problemlos geklappt.

In Australien warst Du eine ganze Zeit und Du hast auch Tasmanien gemacht. Was ist davon hängengeblieben?

Ich hatte mich eigentlich sehr auf Tasmanien gefreut. Allerdings hat es dort viel geregnet, es war unglaublich bergig, wenig gut befahrbare Wege und meine Gangschaltung ging kaputt. Deswegen sind das keine so positiven Erinnerungen. Aber wenn nach 80.000 Kilometern mal was kaputt geht, darf man sich eigentlich nicht beklagen.

Zeitweise hattest Du dort einen Mitfahrer. War das angenehm oder eher anstrengend?

Beides. Auch wenn ich meine Selbstständigkeit schätze, ist es auch mal schön, zusammen zu entscheiden oder die Entscheidung abzugeben. Gemeinsam zu fahren, heißt aber auch Kompromisse zu machen. Mir wurde es oft zu anstrengend und ich konnte nicht Pause machen wie ich wollte. 

Es ist ein Mythos, dass man beim alleine Reise wirklich alleine ist. Ich habe ständig Menschen zum Reden getroffen. Gerade in Australien, wo man dieselbe Sprache spricht. Man kann auf vieles verzichten: Gutes Essen, eine tägliche Dusche. Aber die zwischenmenschliche Interaktion ist wirklich überlebensnotwendig. Man wird schnell komisch, wenn man zu wenig davon hat.

Als Frau allein mit dem Fahrrad um die Welt
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Südamerika war dann eher eine kürzere Etappe. Wolltest du dann nach über 100 Wochen wieder nach Hause?

Da gab es zwei Gründe. Zum einen war ich dort im Februar, also kurz vor dem Winter in Südamerika. Dort wird es dann sehr kalt und manche Straßen sind gesperrt. Der andere Grund war meine Mutter, die krank wurde. Ich hatte mir von Anfang an überhaupt keinen Zeitrahmen gesetzt. Ich wollte offen und frei sein und so lange reisen, wie ich wollte. Die erste Reise ging 888 Tage.

Hatten sich Deine Erwartungen erfüllt? Welche Learnings hast Du mitgenommen?

Ich hatte keine Erwartungen. Insofern konnte ich auch nicht enttäuscht werden. Ich wusste, dass es genial wird und dann wurde es auch genial.

Konkrete Learnings sind die Menschenkenntnis und neue Kulturen. Bei so einer Reise kommt man auch nicht drum herum sich selbst besser kennenzulernen. In unserer westlichen Welt reden wir immer von „Entwicklungsländern“, so als ob wir denen etwas beibringen müssten. Ich habe allerdings sehr viel in diesen Ländern gelernt, was man bei uns nicht lernt.

2017 hast Du Dich mit Deinem Fahrrad auf den Weg nach Afrika gemacht. Warum Afrika?

Weil mich Afrika interessiert hat. Nach den ersten beiden Weltreisen, bei denen ich Afrika ausgelassen hatte, war es nun an der Zeit. Mich hat interessiert, wie Afrika wirklich ist. Es gibt nicht „das Afrika“, denn es ist mit seinen 50 Ländern und noch mehr Stämmen, Sprachen und Religionen unglaublich vielfältig.

Dorothee mit dem Fahrrad in einem Dorf in Ghana

Dein Trip durch Afrika war gepflastert mit Behördengängen, weil Du Dir ständig neue Visa besorgen musstest. Wie hast Du das im Vorfeld geplant?

Afrika kann man nicht planen, weil sich immer alles ändert. Im Vorfeld konnte ich nur für ein paar Länder das Visum beantragen, wie Marokko oder Senegal. Die besten Infos bekam ich von anderen Reisenden vor Ort. 

Viele Länder wollen eigentlich, dass man sich das Visum im Heimatland besorgt. Aber gerade dieses Ungeplante macht für mich den Reiz einer Reise aus. Ich habe dann verhandelt, dass ich doch mit dem Fahrrad reise und jetzt schon so weit gekommen bin und das nächste Land auch noch gerne sehen möchte usw. Damit bin ich meistens durchgekommen. 

In Deinem Buch schilderst Du wie unterschiedlich die einzelnen Länder sind. Welches Land hat Dich am meisten beeindruckt und wo fiel es Dir sehr schwer, dort länger zu bleiben?

In Kenia, Äthiopien und Sudan wurde ich mit Steinen beworfen. Allerdings waren das Kinder und ich hatte den Eindruck, dass sie alles mit Steinen bewerfen. Hunde, Ziegen oder eben andere Menschen.

In Sudan schien es für viele Männer ein Problem zu sein, dass ich als Frau alleine und unverhüllt Fahrrad fahre. Bei Pärchen war das wiederum kein Problem. Ich dachte mir dann, dass sie so vielleicht mal lernen können, dass man auch als Frau sowas alleine machen kann.

Besonders beeindruckt hat mich Mali. Die Leute dort waren so offen und freundlich trotz der politischen Probleme. Landschaftlich hat mich Namibia sehr beeindruckt.

In Ruanda und Nigeria ist die Situation katastrophal. Dort gab es sehr viele Kontrollen, viele Kinder und viel Armut. 

Insgesamt bist Du in 2 Jahren 40.000 Kilometer durch 33 afrikanische Länder gefahren. Welche Erkenntnisse hast Du von dort mitgenommen?

Es ist eine schwierige Situation in Afrika. Man zweifelt daran, ob diese Hilfsorganisationen wirklich etwas verändern können. Es fehlt am Gesamtkonzept. Es gibt viele leerstehende Schulen. Maschinen werden dorthin geliefert, wo es keinen Strom gibt.

Aktuell ist es so: Die ehemals Unterdrückten werden die neuen Unterdrückten. Ich denke der Westen hat noch eher soziale Ambitionen für Afrika. Derzeit ist ja China sehr aktiv dort, aber hat mit hoher Sicherheit kaum soziale Absichten.

Trotzdem gibt es viel Spannendes und Schönes an diesem Kontinent.

Was machst Du heute beruflich? Hast Du Dein persönliches Glück gefunden?

Nach den vielen Jahren der Weltreise wollte ich wieder sesshaft werden. Mir fehlte das stabile soziale Umfeld.

Ich bin jetzt weitgehend selbstständig und habe immer noch niedrige Lebenskosten. Ich halte Vorträge und gebe Coachings als systemischer Coach. Durch die Lockdown-Situation liegt das aber eher brach. Deswegen arbeite ich aktuell als freie Mitarbeiterin für Bürotätigkeiten. Der eine Verein veranstaltet Erlebniscamps für Kinder. Das geht in die Richtung, die ich weiter machen und das Konzept für Erwachsene und Frauen anbieten möchte. Das ist der Plan fürs nächste Jahr.

Ich glaube schon, dass ich mich durch die Reisen verändert habe, das kann mein Umfeld wahrscheinlich besser beurteilen. Ich bin selbstbewusster, gelassener, ruhiger, offener und entschlossener geworden.

Hast Du schon neue Pläne für weitere Reisen oder hast Du erstmal genug vom Fahrradfahren?

Also 2,5-Jahres-Reisen wird es nicht mehr geben, eher vielleicht für 6 Monate. Mir ist jetzt wichtiger, dass ich das weitergebe, was ich auf den Reisen gelernt habe. 

Zum Abschluss würde ich gern noch das obligatorische Wordshuffle machen. Ich nenne Dir unterschiedliche Begriffe und Du sagst, was Dir dazu einfällt.

Heimat

Für mich ist Heimat Süddeutschland, wo ich aufgewachsen und kulturell geprägt bin. 

Markus Lanz

Dort war ich zu Gast kurz vor den USA-Wahlen. In der Sendung kam ich ein bisschen kurz, aber es hat mir Bekanntheit gebracht, so dass auch mehr Menschen von meinen Weltreise-Büchern erfahren haben.

Corona

Corona ist ein Wechsel und vielleicht ein Katalysator, dass wir unsere Einstellungen überdenken oder ändern. Auf einmal geht Homeschooling und Home Office. Auch die Natur hatte eine Pause. Für mich persönlich war der Lockdown kein Problem, aber für junge Menschen ist das schon schwierig.

Lieblingsland

Gibt es nicht, da gibt es zu viele Aspekte, die da reinspielen und das ändert sich ständig.

Nachhaltigkeit

Ist ein sehr wichtiges Thema für mich. Ich verstehe nicht, warum sich da so wenig tut, obwohl so viel bekannt ist. Gerade der Plastikmüll in Entwicklungsländern ist ein großes Problem, weil es dort keine Müllabfuhr oder Verbrennungsanlagen gibt.

Mut

Mut tut gut. Ich finde mich selbst nicht besonders mutig, denn ich habe meistens keine Angst. Höchstens wenn ich etwas länger nicht gemacht habe.

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