“Das Leben wird um so leichter, je kleiner die Erwartungen sind” – Interview mit Buchautor Andreas Brendt

Folge: 4

In Folge 4 von “Mehr Mut zum Glück” habe ich den weltreisenden Surfer und Berufsschullehrer Andreas Brendt zu Gast. Er hat schon eine ganze Menge erlebt, viele Länder und Menschen kennengelernt und sieht mittlerweile alles etwas differenzierter. Wir sprechen darüber, warum ein Job ein wichtiger Anker sein kann, dauerhaftes Reisen nicht zwangsläufig glücklich macht und wieso im Ausland immer alles gut ausgeht – auch wenn man die Sprache nicht spricht.

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Überblick Interview mit Andreas Brendt

Andreas Brendt Surfen PortraitfotoVor vier Jahren stieß ich durch Zufall auf das Buch “Boarderlines” von Andreas Brendt. Auch wenn ich mit Surfen so gar nichts am Hut habe, fand ich die Beschreibung so spannend, dass ich es mir auf den Kindle lud und mit in den Urlaub nahm.

Innerhalb weniger Tage verschlang ich das Buch und es war für mich sehr inspirierend, weil ich viele der Gedanken von Andi in dieser Zeit ebenfalls hatte. Es war ein autobiografischer Reise-Roman, der einfach toll geschrieben war.

Also setzte ich ihn auf meine Liste potenzieller Interviewgäste. Leider passte es thematisch überhaupt nicht zum Finanzrocker-Podcast. Erst während der Corona-Krise stieß ich auf das neue Buch von Andreas Brendt. Darin geht es um Indien, Meditation, Reisen und einiges mehr.

Auch das Buch hat mich gleich wieder begeistert – auch wenn es komplett anders als Boarderlines ist. Während des Lesens konzeptionierte ich meinen neuen Podcast “Mehr Mut zum Glück” und fragte Andi tatsächlich als Erstes als Interviewgast an.

Bis zum Interview waren noch einige Wochen Zeit, so dass ich auch noch das dritte Buch “Boarderlines – Fuck you happiness” las. Das ist die Fortführung von Boarderlines und es führt den beruflichen Weg von Andi weiter vom weltreisenden Surfer hin zum Berufsschullehrer mit ganz normalen Sorgen und Nöten, die jeder von uns kennt. Darin wird die Zeit von Andi von 2005 bis 2015 erzählt mit allen Hoch und Tiefs, die er hatte. Alle Bücher erschienen über den Conbook Verlag.

Im Interview sprechen wir darüber, warum ein Job ein wichtiger Anker sein kann, dauerhaftes Reisen nicht zwangsläufig glücklich macht, die Freiheiten im Job manchmal sehr groß sind und wieso im Ausland immer alles gut ausgeht – auch wenn man die Sprache nicht spricht.

Herausgekommen ist ein sehr lebendiges und abwechslungsreiches Gespräch mit viel Mehrwert. Viel Spaß beim Hören!

Wer ist Andreas Brendt?

Andreas Brendt ist ein international anerkannter Autor und ein leidenschaftlicher Surfer. Er studierte Volkswirtschaft und Sportwissenschaft. Darüber hinaus leitete er das größte deutsche Surfcamp in Frankreich.

Sein Buch “Boarderlines” ist eine Ode an das Surfen und die Kultur dieses Sports. Darin dokumentiert er seine Reise vom Anfänger zum Profi und erforscht die Schönheit und Kraft des Ozeans und seine Wirkung auf ihn.

Er geht auch der Frage nach, was das Surfen für so viele Menschen zu einer unglaublichen Erfahrung macht. Für diejenigen, die mit dem Sport noch nicht vertraut sind, bietet Boarderlines eine spannende Einführung in das Surfen und seine einzigartige Kultur.

Für erfahrene Surfer ist es eine inspirierende Erinnerung daran, warum sie diesen Weg im Leben gewählt haben. Mit seinen Worten fängt Andreas Brendt die wahre Magie des Surfens ein: wie es einen aus der Realität in eine andere Welt voller Abenteuer, Herausforderung, Freiheit und Freude entführen kann.

Heute hält er Vorträge über Angst und Motivation bei Profifußballvereinen. Er interessiert sich brennend für fernöstliche Philosophie und Alltagsweisheiten.

Shownotes Boarderlines

Zusammenfassung des Interviews

Was bedeutet Dir Glück?

Glück ist für mich entweder wilde Energie (zum Beispiel Euphorie-Momente /Flow beim Surfen oder Tanzen) oder ruhige Momente mit Leichtigkeit. Die Gemeinsamkeit dieser Momente ist, dass relativ wenige Gedankenvorgänge da sind.

In meinem Buch schreibe ich ja öfters die Gleichung „Happiness = Reality – Expectations“. Je weniger Erwartungen ich stelle, desto weniger Druck empfinde ich und Leichtigkeit kann entstehen. Das
schließt auch die Akzeptanz mit ein, dass schwierige Momente einfach dazugehören (und uns oft auch helfen).

Ich möchte das Interview mit einem Zitat aus Deinem zweiten Buch starten: „Deutschland hat einen Hang zum Negativen, der einzigartig ist. Und alle machen mit. Die Evolution ist schuld, denn wenn alle schon zufrieden wären, müsste keiner mehr im Laufrad laufen. Haus bauen, Karriere machen, sich selbst verwirklichen. Weiterkommen…Unzufriedenheit als Antrieb, Depression als Überlebensstrategie.“ Warum passt dieses „normale“ Leben nicht zu Andreas Brendt?

Ich sehe die Leistungsgesellschaft, die in Deutschland sehr ausgeprägt ist, mittlerweile sehr kritisch. Es steht das Funktionieren und Erreichen im Vordergrund und das erzeugt bei vielen Stress und das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

Fühlen ist für mich der Gegensatz zum Funktionieren und ein deutlich besserer Wegweiser. Ich liebe es mich neuen Chancen zu öffnen, mich verletzlich zu zeigen, Neues zu erleben und zu erfahren und neuen Menschen zu begegnen.

Besonders sich zu öffnen und verletzlich zu zeigen, ist eine Sache, die sich viele Menschen nicht trauen. Ich habe allerdings noch nie erlebt, dass es ausgenutzt wurde. Im Gegenteil: Es hat mich mir selbst und den Lesern meiner Bücher sehr weitergeholfen und intensive Momente beschert.

Du bist Berufsschullehrer und seit 25 Jahren als weltreisender Surfer unterwegs. Wie passt das zusammen? Der „normale“ Deutsche würde sagen, dass sich das nicht miteinander vereinbaren lässt.

Ich habe irgendwann festgestellt, dass mir nur Reisen und Surfen nicht reicht. Mir fehlten ein stabiles soziales Umfeld und der Wechsel zwischen Reisen und einem stabilen Leben. Ich versuche da eine gute Balance zu finden. Ich schätze die finanzielle Freiheit durch den Beruf als Lehrer und dass ich in den Schulferien und im Sabbatjahr viel reisen kann.

Die Bücher sind mein zweites Standbein und ermöglichen mir mich weiter zu entwickeln aber vor allem Menschen zu berühren, was mir das wichtigste ist.

Andreas Brendt surfen

An bestimmten Stellen in Deinen Büchern merkt man Dir die innere Zerreißprobe an, ob es nicht das Beste wäre, komplett als Surfer um die Welt zu reisen. Viele schmeißen ihre Job hin, um einem Traum hinterher zu jagen. Du nicht, warum?

Ich glaube man muss da einfach ehrlich mit sich selbst sein, was für einen wirklich passt. Viele meinen ein 9 to 5 Job ist das schlimmste und Dauerreisen das große Glück. Mir bietet mein Lebensentwurf aktuell eine gute Balance und Stabilität, aber das kann sich natürlich jederzeit wieder ändern.

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Bei Dir habe ich immer das Gefühl, dass Du nach so langer Zeit immer noch auf der Suche nach etwas in der Welt bist, was Du noch nicht gefunden hast. Was ist das?

Was mich fasziniert sind die Wunder, besondere Momente und Synergien, die sich einstellen, wenn man das Leben „einfach mal passieren lässt“. Das ist das wonach ich auf der Suche bin. Was mich auch beschäftigt sind Methoden, dieses Ziel mit der westlichen Lebensweise zu vereinbaren. Die Reise nach der Welt wurde irgendwann ergänzt um die Reise nach Innen. Das macht das Ganze für mich komplett.

Spiritualität ist für mich aber kein Selbstzweck. In den letzten 3000 Jahren wurden aber viele Methoden und Techniken entwickelt, die mir helfen mich selbst besser kennenzulernen. Wenn ich eins gelernt habe, dann dass das Leben immer auf und abgeht. Da helfen mir diese Techniken enorm.

Gerade in so einer Leistungsgesellschaft wie in Deutschland wäre es so gut, wenn es dafür eine Schule geben würde, wo Menschen lernen mit ihren Emotionen umzugehen, sie auch mal rauszulassen und auszuflippen anstatt alles festzuhalten und nur zu funktionieren.

Welche Techniken nutzt du, um deine Emotionen zu verarbeiten und dich selbst besser kennenzulernen? Nur Meditation?

Im Bereich der Meditation bin ich ein großer Fan der „wilden (oder auch aktiven) Mediation“, die unter anderem von Osho sehr verbreitet wurde. Die wilde Meditation hat verschiedene Phasen. In der ersten Phase holt man beispielsweise durch Atemtechniken erstmal Emotionen hoch.

Dann folgt die Katharsis (=seelische Reinigung), in der man seine Emotionen rauslässt und auch mal ausflippt. Erst dann folgt die stille Phase.

Die klassische stille Meditation ist für den westlichen Menschen einfach zu viel. Die meisten
müssen, so wie ich auch, wohl erstmal Dampf ablassen. Ansonsten nutze ich auch gerne meine Lieblingslieder, um bestimmte Emotionen zu erzeugen oder rauszulassen. Zum Beispiel Lieder von AC/DC, um Wut abzubauen. Tanzen und verschiedene Atemtechniken nutze ich auch gerne.

Deine Bücher wimmeln von inspirierenden Menschen, die Du auf Deinen Reisen kennengelernt hast. Was sind die wichtigsten Dinge/Erfahrungen, die Du von ihnen mitgenommen hast?

Die Menschen, die ich kennengelernt habe, bilden wirklich eine große Bandbreite ab. Seien es spirituelle Gurus oder Menschen, die einfach Außergewöhnliches erreicht haben.

Ein besonderer Moment war in Hawaii vor etwa 15 Jahren, wo ich eine Meditation „Reise zum inneren Kind“ gemacht habe. Dabei konnte ich Frieden schließen und Dankbarkeit empfinden für die Dinge, die ich als Kind erfahren habe und mich heute zu dem Menschen machen, der ich bin.

Boarderlines: Roman
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Boarderlines: Roman
  • Brendt, Andreas (Autor)

Was hat Dir das Surfen für das Leben mitgegeben?

Das Surfen lehrt mich zu einen, dass das Leben immer auf und ab geht und zum anderen ist es die perfekte Übung der Vergänglichkeit. Eine tolle Welle kommt genauso nie wieder.

Ich habe nur den Moment und ich muss lernen den so zu leben, dass ich damit einverstanden bin. Das lehrt mich auch, wie unnötig es ist mir selbst Druck und Stress zu machen, was leider viel zu „normal“ in unserer Gesellschaft ist.

Du hast in Deinem Leben schon oft Mut zum Glück bewiesen. Welche 3 Dinge
hast Du daraus gelernt?

– Das Leben ist immer ein auf und ab
Wenn es einem mal richtig gut, sollte man das genießen, denn das bleibt nicht so. Und wenn es einem mal schlecht geht, kann es eigentlich nur noch besser werden. Dieses Prinzip gibt mir Zuversicht.

– Es gibt Wunder
Auch wenn ich im Bereich Spiritualität manchmal nicht weiß, was real ist oder was ich mir einbilde – ich habe gelernt dass es wirklich Wunder gibt. Es gibt einfach eine Magie da draußen, wie weit die auch genau
gehen mag.

– Es gibt keine Zufälle
Alles ist so wie es sein soll. Besonders die schmerzhaften Momente haben mich immer zu etwas sehr Positiven geführt. Offen zu sein und das Leben passieren zu lassen ist etwas, was ich auf all den Reisen und
dem sicherlich teilweise etwas holprigen Lebensweg gelernt habe.

Andreas Brendt mit Hund

Welche Ziele hast Du Dir noch gesetzt?

Ich bin gerade in einer Phase bei der ich mir unsicher bin was die nächsten Schritte sind.
Mein Ziel ist es auf jeden Fall mehr zu leben. Mich nicht vom Hamsterrad und der digitalen Süchte vereinnahmen zu lassen.

Ich möchte noch viel mehr Kulturen kennenlernen, die vielleicht eine andere Philosophie und Blick auf das Leben haben. Ganz konkret möchte ich unbedingt nächstes Jahr mit dem Auto nach Indien fahren. Auf dem Weg werde ich auch vielen Ländern begegnen, die ich noch nie gesehen habe.

Zum Abschluss würde ich gern noch das obligatorische Wordshuffle machen. Ich nenne Dir unterschiedliche Begriffe und Du sagst, was Dir dazu einfällt.

Afrika

Bunt und facettenreich, aber nicht mein Lieblingskontinent. Südafrika, Mosambik und Senegal haben mir sehr gut gefallen.

Vipassana in Belgien

Für die, die den Begriff nicht kennen: Das bedeutet 10 Tage nur zu schweigen. Das Schweigen ist für mich nicht das Problem, aber 12 Stunden am Tag zu meditieren, ist echt die Hölle.

Das ist sehr hart, aber lohnt sich. Ich kenne niemanden, der es gemacht und hinterher bereut hat. Trotzdem habe ich Schiss es nochmal zu machen.

Bali

Traumhafte Insel, um die ich mittlerweile eher einen Bogen mache, weil sie so voll und touristisch geworden ist. Ich glaube aber nicht, dass Bali seinen Charme verloren hat.

Schule
Kann sehr schön sein und ich mag meine Schüler sehr gerne. Mit der teilweise hohen Arbeitsbelastung ist es aber auch eine große Herausforderung sich selbst nicht zu verlieren.

Indien

Faszinierendes Land in dem einiges los ist. Zum einen kann man sich die Jahrtausende alte Kultur anschauen, zum anderen hat das Land eine Magie die mit deinem Inneren etwas anstellt. Es lohnt sich das zuzulassen.

Rockmusik

Ich höre mittlerweile fast nur noch Elektronische Musik. Rockbands wie AC/DC höre ich wenig, aber elektrisiert mich immer wieder aufs Neue.

Sprachen

Macht Spaß aber scheitert etwas an meiner Faulheit. Mein Englisch ist ganz okay, meine Reisen in spanischsprachige Länder motivieren mich und haben mir die Vorteile gezeigt die Sprache zu lernen. Aber auch ohne die Sprache zu sprechen, die in einem Land gesprochen wird (Englisch wurde nicht gesprochen), bin ich dort hingereist und es ist alles gut gegangen.

Mexiko

Ist wie eine zweite Heimat geworden. Für Urlaub und Entspannung gibt es für mich nichts Besseres als Mexiko.

Freundschaft

Freundschaft ist heilig und überaus wertvoll. Wir haben vorhin über Ziele gesprochen. Mein Ziel ist es meine Freundschaften zu vertiefen, in dem man ganz offen und ehrlich sprechen kann, auch wenn einen etwas stört. Eine richtige Freundschaft wächst an allem, an den schönen Dingen und auch an den nicht so schönen Dingen.

Bilder: Andreas Brendt

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